Erstveröffentlichung dieses Beitrags: »Textpraxis. Digitales Journal für Philologie«, DrupalCenter.de, 07.01.2011, URL: http://www.drupalcenter.de/?q=node/32755
Herausgegeben wird Textpraxis. Digitales Journal für Philologie von einem Team aus jungen Literaturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, die im Rahmen der Graduate School Practices of Literature an der Universität Münster promovieren. Die Redaktion veröffentlicht im sechsmonatigen Rhythmus Beiträge in den Rubriken "Literatur und Gesellschaft", "Theorien der Literaturwissenschaft" sowie "Literaturwissenschaft und Praxis".
Die Open-Access-Zeitschrift für Literaturwissenschaft betont dialogische Möglichkeiten einer Online-Publikation, die im akademischen Bereich noch eher selten sind. Die Zeitschrift ist frei zugänglich; es fallen keine Kosten für Leser und Autoren an. Außerdem können sich die Leser und Leserinnen direkt zu den veröffentlichten Beiträgen äußern. Eine Kommentarfunktion für registrierte Nutzerinnen und Nutzer soll dazu anregen, über wissenschaftliche Themen in Austausch zu treten.
OJS vs. Drupal
Die [von mir mitgegründete] Hamburger Webdesign-Gemeinschaft buerobackbord wurde von der Redaktion engagiert, um das Design der Zeitschrift zu gestalten und mit dem weit verbreiteten Open Journal Systems (OJS) umzusetzen. In der Konzeptionsphase wurde jedoch deutlich, dass OJS - neben unbestreitbaren Vorzügen - einige gravierende Nachteile hat: So ist der redaktionelle Workflow, den diese Anwendung bietet, sehr genau auf die Bedürfnisse einer akademischen Zeitschrift ausgerichtet, aber auch sehr festgelegt und für kleinere Redaktionsgruppen eher überdimensioniert. Änderungen am Workflow und anderen strukturellen Vorgaben oder auch ambitionierte Layouts sind mit OJS relativ schwer zu realisieren. (Vgl. auch einen älteren Blogpost von Sanjay Sharma, in dem OJS mit WordPress verglichen wird.)
Vor dem geschilderten Hintergrund habe ich den Herausgebern vorgeschlagen, die Zeitschrift mit Drupal realisieren. Argumente dafür waren - neben der langfristig größeren Basis an Entwicklern und Dienstleistern - die stärkere Affinität von Drupal zum 'Social Web' sowie vor allem die höhere Flexibilität und bessere Konfigurierbarkeit des Systems. Das Risiko dieses Vorschlags lag in einem schwerer abzuschätzenden Aufwand bezogen auf die Grundanforderung der Projektgruppe, der nur ein eng begrenztes Budget zur Verfügung stand: Während OJS einen Redaktionsworkflow und bestimmte Inhaltstypen 'out of the box' mitbrachte, mussten diese in Drupal eigens konzipiert und umgesetzt werden.
Wichtige Anforderungen in Stichworten
Design
- deutlich übersichtlicher als die Standard-OJS-Darstellung
- klare Trennung zwischen Ausgaben, Sektionen, Artikeln, etc.
- gute Typographie auch in der HTML-Ausgabe von Beiträgen
Redaktionsworkflow
- Einreichung von Artikeln durch registrierte Autoren, interne Vorbegutachtung durch die Herausgeber, Zuweisung von Artikeln an externe Gutachter, Ablegen von Überarbeitungsstufen des Manuskripts, Einreichen des fertigen Manuskripts
- nicht-öffentlicher Bereich für redaktionelle Arbeit, Dateiablage etc.
Usability
- möglichst einfache Modifizierung der Website-Inhalte (nicht nur der Zeitschriftbeiträge im engeren Sinne, sondern auch anderer Seiten)
- Eignung des Backends auch für externe Gutachter, die ohne Schulung im System arbeiten
- gut lesbare Darstellung langer Texte, die teilweise mit sehr vielen Fußnoten versehen sind
Community
- Kommentierung von Beiträgen für angemeldete User
- Registrierung mit Klarnamen
- Optionen bei Registrierung (für Autoren)
- Newsletter
- RSS-Feed
- Export in soziale Netzwerke
Realisierung
Alle Anforderungen konnten mit Drupal gut realisiert werden. Der Aufwand war etwas höher als kalkuliert, aber vertretbar für ein erstes Projekt, in dem ich viel lernen konnte. Nachdem die erste Textpraxis-Ausgabe von der Redaktion ohne Schwierigkeiten erstellt wurde, ist die Website am 1. November 2010 freigeschaltet worden und auf positive Resonanz bei Lesern, Autoren und im Umfeld der Herausgeber gestoßen.
Entgegen anfänglicher Befürchtungen ist auch die Performance trotz des Hostings auf dem (leider nicht sehr leistungsfähigen und vergleichsweise restriktiven) Server für Webprojekte der Uni Münster bis jetzt ausreichend. Der Drupal Caching-Mechanismus leistet gute Dienste, hatte aber zeitweilig den Münsteraner Datenbankserver sehr stark belastet (vgl. Forenbeitrag zu der Problematik).
In den unten genannten Modulen spiegeln sich die Schwerpunkte der Drupal-Konfiguration wider: Theming, Konzeption von Inhaltstypen, Textformatierung, Gestaltung von Userbereichen und Umsetzung des Redaktionsworkflows. Das Layout basiert auf dem Ninesixty-Theme. Der gewünschte Workflow ließ sich mit dem dem Trigger- und Action-Paar und dem Workflow-Modul erstaunlich einfach umsetzen. Deutlich mehr Konzeptions- und Konfigurationsarbeit ging in die Gestaltung der Inhaltstypen, bei der es nicht nur auf die je passende Datenstruktur, sondern ebenso auf Anforderungen wie 'Themebarkeit' oder gute Usability für die Redakteure ankam. Durch kontextbezogene Blöcke mit Redaktionshinweisen unterstützt, nutzen die begeisterungsfähigen Redakteure ohne Probleme sogar eine auf den ersten Blick voraussetzungsreiche Lösung wie den Textile-Filter, der (gemeinsam mit Footnotes) als Alternative zu WYSIWYG-Editoren für eine korrekte Textformatierung und -auszeichnung sorgt.
Fazit
Drupal eignet sich ausgesprochen gut als Framework für eine akademische Online-Zeitschrift. Die hohe Flexibilität ermöglicht eine maßgeschneiderte Umgebung auf allen Ebenen, die natürlich mit einem nicht geringen Konzeptions- und Konfigurationsaufwand verbunden ist. Als Alternative kommt die auf publizistische Bedürfnisse zugeschnittene Drupal-Distribution OpenPublish in Frage. Die Verwendung der Distribution stellt jedoch höhere Anforderungen an die Performance.