Als Anfang 2022 »Azzurro« von Eric Pfeil erschien, sah ich in dem Buch eine schöne Gelegenheit, eine meiner Bildungslücken zu verkleinern. Denn im Gegensatz zu Sprache und Literatur kannte ich mich mit italienischer Popmusik nicht so gut aus, wie mir lieb war. Was ich aus Italien kannte, waren eher spezielle Sachen, zum Beispiel Punk aus dem Aostatal oder Postpunk und Hip-Hop aus Rom. Manch anderes war an mir vorbeigegangen, und was mir vor allem fehlte, war so etwas wie ein Überblick. Da kam mir ein Buch mit »100 Songs durch Italien« gerade recht.
»Azzurro« hat mir gut gefallen: beeindruckend informativ und sehr unterhaltsam. Da lag es nahe, bei Spotify nach einer begleitenden Playlist zu suchen, und die gab es auch. Es gab sogar mehrere. Zum einen die offizielle, aber mit 97 Titeln nicht vollständige Playlist des Verlags Kiepenheuer & Witsch. Zum anderen 100 Songs »in der Reihenfolge wie im Buch«, zusammengestellt von kaaaaaromitk. (Titel, die auf Spotify nicht verfügbar waren, hat kaaaaaromitk durch legitime Alternativen zu ersetzen versucht; andere Listen enthalten stattdessen Songs des Autors Eric Pfeil, der auch als Musiker tätig ist.)
Im Buch werden die Lieder in alphabetischer Ordnung besprochen. Den Anfang macht Rino Gaetanos »Aida«, und am Ende steht »Voce« von Madame. Beim Lesen war mir die Reihenfolge gar nicht aufgefallen. Interessant wurde sie erst durch die Playlists, die mehr oder weniger ambitioniert versuchen, die Songs ›wie im Buch‹ zu präsentieren.
Eigentlich bin ich ein Fan alphabetischer Sortierung. Sie ist praktisch, zumindest meistens, und lässt gleichzeitig viel Raum für einen phantasievollen Umgang. In einer Playlist macht sich das Alphabet als Richtschnur allerdings weniger gut. Beim ersten Nachvollzug einer Buchlektüre mag es noch funktionieren, doch beim weiteren Hören ist das Prinzip weder schlüssig noch unterhaltsam.
Emotionale Valenz
Wenn eine Compilation also nicht nach den Anfangsbuchstaben der Songtitel angeordnet wird, nach welchen Kriterien dann? Wie wäre es zum Beispiel mit Popularität, Tracklänge, Tanzbarkeit, Lautstärke, Tempo, Tonart, Energielevel oder emotionaler Valenz (»describing the musical positiveness conveyed by a track«)? Das ist kein Scherz, sondern nur ein Teil der Eigenschaften, nach denen Musik von Spotify klassifiziert wird. Die meisten davon sind auf der Plattform nicht direkt sichtbar. Spotify stellt die Daten jedoch als Web-API zur Verfügung, die von externen Diensten genutzt werden kann.
So wirbt der Spotify Playlist Sorter damit, Playlists des Musikdienstes nach musikalischen Attributen zu sortieren, die bei Spotify nicht direkt verfügbar sind. Und hier stoße ich auf das Kriterium, nach dem ich die ganze Zeit gesucht habe: das Veröffentlichungsdatum eines Songs bzw. des Albums, auf dem der Song erschienen ist. Genau so will ich die »100 Songs durch Italien« hören. In historischer Reihenfolge, von Epoche zu Epoche, im Lauf der Zeit – kurz: von 1959 bis 2022.
Aber warum ist das älteste Stück von 1959? Im Buch war doch von Enrico Carusos »'O sole mio«-Version die Rede, datiert auf das Jahr 1916. In den eingangs erwähnten Spotify-Playlists findet sich dagegen das Stück vom Album »The Gramophone Classics«, Erscheinungsdatum 2011. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Stücken aus den 1950er Jahren. Bei näherer Betrachtung wird zudem deutlich, dass die Veröffentlichungsdaten der Alben keineswegs immer mit der Erstveröffentlichung eines Songs übereinstimmen.
Wenn ich »Azzurro« tatsächlich in historischer Reihenfolge hören möchte, komme ich um eine manuelle Sortierung der Songs wohl nicht herum. Um mir etwas Arbeit zu ersparen, speichere ich die per Playlist Sorter arrangierte Liste auf Spotify. Dann lege ich das Buch von Eric Pfeil als Referenz auf den Tisch und verschiebe einzelne Tracks per Drag and Drop. Es sind wohl mehr als 50 Titel, die ich verschieben muss, auf jeden Fall mehr Arbeit als gedacht. Offenbar gilt immer noch: Gut Ding will Weile haben! Hier das Ergebnis:
https://open.spotify.com/playlist/1d9p4Fr1IobJef8EW2LX6T?si=f3501dd8e233...
Ausblick
Im Frühjahr 2024 erschien mit »Ciao, Amore, ciao« von Eric Pfeil ein Buch mit weiteren 100 Songs aus Italien. Wenn mir niemand zuvorkommt, werde ich bei Gelegenheit auch dazu eine chronologische Playlist zusammenstellen. Vielleicht sehe ich mir die Songs dann auch einmal mit anderen Tools zur Datenverwaltung an.
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